In der aktuellen Ausgabe der IT Mittelstand 2/2019 wirft Manfred Gravius, geschäftsführender Gesellschafter der DPS Software GmbH, einen Blick auf die Digitalisierung in der Möbelindustrie. Das Interview führte Lea Sommerhäuser.
ITM:Herr Gravius, welche Rolle spielt die digitale Transformation für die Möbelindustrie?
Manfred Gravius: Die holzverarbeitende Industrie und das Handwerk wandeln sich infolge des Preisdrucks des Handels, zunehmender Produktindividualisierung, kleiner werdenden Losgrößen und steigender Energie- und Rohstoffkosten. Folglich arbeiten die Möbelhersteller an der Reduktion ihrer Entwicklungs- und Herstellungskosten sowie der Aufwände für die Auftragsabwicklung. Dafür ist moderne Software nötig: beginnend mit einer intelligenten Verkaufskonzeption und Produktentwicklung über die Arbeitsvorbereitung und Produktion bis hin zur Dokumentation von Montageanleitungen – optimalerweise in einer integrierten IT-Lösung.
ITM:Warum sollten gerade kleinere Unternehmen schrittweise digitalisieren?
Gravius: Vielen Anwendern ist es nicht möglich, ein oder zwei hoch qualitative Mitarbeiter abzustellen, um alle Prozesse zugleich zu digitalisieren. Meist fangen unsere Kunden mit einer CAD-Software an, die speziell für die Bedürfnisse der Möbelherstellung entwickelt wurden. Wir stellen fest, dass sich kleine Unternehmen viel leichter tun, gute Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, wenn die Arbeitsplätze eben auch am Computer sind und die Technik auf dem neuesten Stand ist. Gerade junge Schreiner sind hoch motiviert, wenn sie zur Schulung kommen. Sie erkennen die Chance der Digitalisierung am besten. Schritt für Schritt heißt natürlich auch, dass die Investition sich auf einen längeren Zeitraum verteilen lässt.
ITM:Wo liegen die Stolpersteine bei der Digitalisierung in der Möbelbranche?
Gravius: Im Maschinenbau wird seit Jahrzehnten digitalisiert, während dieser Prozess in der Möbelindustrie erst mit der jungen Generation gestartet wurde. Manche Mitarbeiter besitzen weniger EDV-Kenntnisse, daher sollte man behutsam vorgehen. Außerdem sind typisch handwerkliche Arbeitsprozesse oft seit Langem erfolgreich, weswegen ein digitaler Umstieg schwer fällt.
ITM:Wie lassen sich Insellösungen vermeiden?
Gravius: Wichtig ist es, einen Anbieter zu finden, der nicht nur den gesamten Prozess versteht, sondern auch durchgängig gelöst hat. Was hilft es mir, wenn ich eine tolle Konstruktion habe, sie aber nicht optimal auf die Maschine bringe? Da braucht man beim Software-Partner auch ein Programmierteam, das einen Postprozessor einrichten kann. Dasselbe gilt übrigens auch für die Datenübernahme in die kaufmännische Software, um die ERP-Lösung optimal zu nutzen.
ITM:Welche Chancen bietet die Digitalisierung den Anwendern?
Gravius: Positive Aspekte finden sich auf allen Ebenen, so ergeben sich Verbesserungen in der Qualitätssicherung und größere Flexibilität bei veränderten Produkten. Zeitersparnis ergibt sich aus der regelbasierten, parametrischen Konstruktion, was wiederrum zu einer schnelleren Amortisierung der Investition führt. Kostenersparnis dank besserer Materialnutzung ist ebenso ein weiterer Punkt wie die schnelle Erstellung der NC-Programme. Kleineren Schreinereien eröffnet sich die Möglichkeit, als Zulieferer zu arbeiten, weil Daten einfach und zuverlässig übermittelt werden können. Es entstehen also sogar neue Betätigungsfelder. Und die verbesserte Kommunikation auf Basis von 3D-Daten, Bildern, Videos, VR und AR macht den Beruf für Fachkräfte interessant, die Personalsituation verbessert sich, weil sich geeignete Mitarbeiter leichter finden und besser binden lassen.