Großes Netzwerk in kleiner Schreinerei
Selbst die kommissionsweise Fertigung, wie sie bei jedem Schreiner ganz normal ist, unterstützt die Nestingmaschine, weil sie – bei gleichem Roh-Material – Teile verschiedener Kommissionen herstellen kann und dabei noch für optimale Zuschnittpläne sorgt. „Wir haben zwar auch eine vertikale Plattensäge“, beschreibt Hans Wilke die heutige Situation, „aber die staubt bloß ein, weil wir sie gar nicht mehr einsetzen.“ Mit der Nestingmaschine – gekauft wurde eine Rover B von Biesse – hat die Schreinerei Schöffel einen wesentlichen Schritt in die Zukunft gemacht. Aber die Programmierung dieser Maschine erfüllte nicht die Erwartungen. Das Nesting-BAZ konnte nur über die mitgelieferte Werkstattprogrammierung NC-HOPS genutzt werden. „Zuerst haben wir Einzelteile an der Maschinen-Steuerung programmiert“, erinnert sich Sven Dreger an die Anfänge, „was sehr viel Zeit beanspruchte.“ Dieses Leiden und die ermüdende Suche nach einer passenden Software war erst zu Ende, als Hans Wilke bei der befreundeten Schreinerei Huschle die Software SWOOD kennenlernte. Daraufhin durfte Daniel Möglich – der selber Schreinermeister ist und als Berater des Software-Hauses DPS arbeitet – eine Präsentation im Hause Schöffel durchführen. Das reichte den kritischen Interessenten aber nicht aus, erst nach der Teilnahme an einem Workshop wurde der Auftrag erteilt.
„Endlich kam jemand ins Haus, der uns verstand“, bringt es Sven Dreger auf den Punkt. Daniel Möglich bekam ein sattes Lob als er zur Anpassung der Post-Prozessoren ins Haus kam und in drei Stunden mehr erreicht hatte als die bisherige Software nach mehreren Jahren nicht. „Unser Service und unsere Kundennähe sind für uns ganz selbstverständlich“, erklärt Daniel Möglich unmissverständlich, was heute scheinbar an Wert verloren hat. „Mit SWOOD CAM steht dem Anwender eine in SolidWorks integrierte leistungsfähige CAM-Lösung zur Verfügung, die alle gängigen CNC-gesteuerten Bearbeitungs-Zentren ansteuern kann.“ SWOOD baut auf der 3D-Software SOLIDWORKS auf und bietet eine durchgängige Prozesskette vom Design bis zur Fertigung mit Funktionen und Bibliotheken für die Holz verarbeitende Industrie und Handwerk. Dafür hat des Softwarehaus DPS eigens einen sieben-tägigen Workshop entwickelt, in dem auf die Kundenbedürfnisse eingegangen wird. Dem potenziellen Kunden wird ein „Trockenlauf“ mit seinen spezifischen Gegebenheiten geboten und bekommt einen Eindruck von dem, wie er zukünftig arbeiten wird.
So kann Sven Dreger nach den Form-, Maß- und Material-Angaben von Schreinermeister Benjamin Feiter, seinem AV-Kollegen, mit wenigen Klicks die Konstruktion machen und die programmierten Teile ohne weitere Prüfung direkt zur Nesting-Maschine senden.
Heute hat Hans Wilke ein funktionierendes, digitales Netzwerk für 5 Arbeitsplätze – die wegen der besseren Effizienz mit zwei Bildschirmen ausgestattet sind – mit den Softwaren SOLIDWORKS, SWOOD Design, SWOOD CAM einschließlich der Anbindung an das eigen-entwickelte ERP-System. Wilke verzichtet auf einen eigenen Server und setzt lieber auf einen kosten-günstigen NAS-Speicher, der Cloud basiert ist und drei Laufwerke bedient. So hat jeder Mitarbeiter im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe Zugriff auf die Laufwerke. Der Chef – natürlich – kann an jedem Bildschirm/Rechner alle Informationen bekommen.
Und, was hat der ganze Aufwand gebracht? Konnte ein Erfolg verzeichnet werden? „Als Grundlage unseres Erfolges hat sich die DPS-Software SWOOD erwiesen“, antwortet Hans Wilke spontan ohne nachzudenken. „Durch den Einsatz von SWOOD wagen wir uns leichter an Aufgaben, die andere Betriebe im Voraus ablehnen. Dann kann man auch ein neues Material oder andere Bearbeitungsschritte probieren – auch wenn mal kein Geld verdient wird.“ Dafür erweitert man seine Angebotsvielfalt. Mit der 5-Achs-Nestingmaschine Rover B von Biesse hat Hans Wilke schon einen Beweis eigener Ansprüche geliefert. Und mit Hilfe von DPS bei SWOOD gab es noch keine Situation, die nicht lösbar war.
Wer heute nach Budenheim bei Mainz fährt und der Schreinerei einen Besuch abstattet, erlebt einen Geschäftsführer Wilke, der rundherum zufrieden ist, aber den Begriff „Amortisation“ hinten anstellt. Er hat den optimalen Fertigungsfluss im Sinn und ist auch bereit, dafür Geld in die Hand zu nehmen. Bei der Nestingmaschine lässt sich ja alles noch begreifen: Transport und Handling der Roh-Platten ist einfacher geworden, die gute Altendorf-Säge wird weniger benötigt und es gibt kaum Reststücke. Den Zuschnitt macht jetzt die Nesting-Anlage. Automatisch. Sie ist ins Netzwerk integriert, ihre CNC-Steuerung bekommt sämtliche Daten, einschließlich des optimierten Zuschnittplanes. Die Krönung dieses Ablaufs stellt ein Labeldrucker dar, der für jedes Teil im Schnittplan ein Etikett ausdruckt und damit auch jedes Teil identifizierbar macht. Das besondere hierbei: Es wurde kein fertiges System genommen, sondern in Eigenleistung programmiert und für wenige Euro gedruckt. Dass dieses Etikett manuell aufgeklebt werden muss, stört niemand – schließlich sind der Zeitgewinn und die höhere Schnittqualität erheblich. „Und dann gibt es da noch den Kegelfräser“, wirft Hans Wilke ein, „mit dem wir Gehrungen fräsen können, bei denen die Plattenbeschichtung nicht mal angekratzt wird. Dann wird Leim in die gefrästen Gehrungen angegeben und der SchrankKorpus zum Aushärten zusammen gefaltet.“Mit diesen gefalteten Korpussen hat sich Wilke ein Alleinstellungs-Merkmal verschafft, denn jeder Korpus ist perfekt. Diese Verbesserungen sind zwar evident, aber sie lassen sich nicht in einer Amortisations-Rechnung bewerten.
Ansonsten sieht sich die Schreinerei Schöffel eher als Allrounder, der kein spezifisches Gebiet abdeckt. Und doch gibt es Unterschiede zum Rest der Welt. So lebt Hans Wilke den alten Spruch: Geht nicht – gibt‘s nicht. Das zeigt sich, wenn er sein Tablet herausholt und Fotos von interessanten Projekten präsentiert. Da ist zum Beispiel ein Garderoben-Schrank zu nennen, der über offene und abschließbare Fächer sowie Kleider-Aufnahmen verfügt. Die Besonderheit aber entzieht sich dem schnellen Blick des Betrachters, liegt sie doch im unteren Bereich: Hinter den runden Öffnungen befinden sich Abschnitte von Regenrinnen zur Aufnahme von Regenschirmen. Oder ein Freisitz zwischen Bürogebäuden, bestehend aus mehreren Modulen zum Hinsitzen, Ausruhen, Arbeiten oder Pausieren, einfach zum Genießen des schönen Wetters – mit Schutz vor der Sonne.
Autor: Georg Bernhard, Fachjournalist